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Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf

Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf

Hier beantworten wir deine Fragen rund um das Thema Bewerbung, dem Arbeitsleben mit Schwerbehinderung und arbeitsrechtlichen Hinweisen.

Heute ist es für viele Jugendliche und junge Erwachsene eine Herausforderung, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Für Menschen mit einer chronischen Erkrankung ist es oft noch schwieriger. Vielleicht fragst du dich genauso wie viele andere auch, ob es sinnvoll ist, auf den Schwerbehindertenausweis zu verzichten, ihn zurückzugeben oder gar nicht erst zu beantragen. Ob man einen Schwerbehindertenausweis beantragt oder nicht ist eine persönliche Entscheidung. Hat man einen Ausweis, kann man auf die Schwerbehinderteneigenschaft nicht einfach verzichten, wenn sie einmal festgestellt wurde. Durch einen Änderungsantrag kann jedoch die Feststellung einzelner Behinderungen ausgeschlossen werden und man wird unter 50 GdB zurückgestuft. Danach wird der Ausweis eingezogen. Dies solltest du dir gut überlegen, denn verzichtest du auf deinen Ausweis, dann verzichtest du auf wichtige Nachteilsausgleiche, die in Ausbildung, Studium und Beruf hilfreich für dich sein können, wie z.B.:

 

  • 5 Tage mehr Urlaub (§ 125 SGB IX)

  • besonderer Kündigungsschutz (§§ 85 ff, SGB IX)

  • begleitende Hilfen im Berufsleben (§ 33 ff SGB IX)

  • Arbeits- und Berufsförderung durch die Agentur für Arbeit (SGB III, Arbeitsförderungsgesetz)

  • Befreiung von Studiengebühren, evtl. Bevorzugung bei der Vergabe von Zimmern in Studentenwohnheimen (Näheres beim jeweiligen Studentenwerk der jeweiligen Universität/FH erfragen oder in der Broschüre „Studium und Behinderung" über www.studentenwerke.de beziehbar)

 

Wirst du auf einen GdB von unter 50 zurückgestuft, beispielsweise auf 30, kannst du einen Gleichstellungsantrag bei der örtlichen Agentur für Arbeit stellen und noch einen Behindertenpauschbetrag steuerlich geltend machen. Die Gleichstellung sichert dir als behinderten Arbeitnehmer den besonderen Kündigungsschutz, jedoch nicht den Anspruch auf mehr Urlaub.

Schwerbehindertenausweis und Bewerbung

Bevor du die bereits erwähnten Nachteilsausgleiche im Arbeitsleben nutzen kannst, steht erst einmal die Bewerbung an. 

Eine der häufigsten Befürchtungen in diesem Zusammenhang ist die Angst, durch den Besitz eines Schwerbehindertenausweises Nachteile bei der Bewerbung zu haben. Hierzu ist Folgendes zu sagen: Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) muss man beim Vorstellungsgespräch nicht mehr angeben, dass man einen Ausweis hat, selbst wenn man danach gefragt wird. Die Frage an sich ist unzulässig. Soweit die Theorie. In der Praxis ist jedoch das Verschweigen dennoch nicht zu empfehlen. Zum Einen verzichtest du so auf die genannten Nachteilsausgleiche und zum Anderen sollte im Falle einer Verletzung/eines Unfalls der Arbeitgeber und die Kollegen wissen, in welcher Klinik du als Hämophiliepatient behandelt werden kannst, so dass du schnell ärztliche Hilfe bekommst.

Aufgrund von langjährigen Erfahrungen in der Praxis empfiehlt sich folgendes Vorgehen: 

Im Bewerbungsschreiben muss nicht unbedingt erwähnt werden, dass du einen Schwerbehindertenausweis hast, es sei denn, du bewirbst dich in einem großen Unternehmen, in dem ein Schwerbehindertenbeauftragter vorhanden ist. Dieser sorgt dafür, dass ein gewisser Prozentsatz von schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Anderenfalls zeigt sich häufig in der Praxis, dass Bewerbungen mit Hinweis auf den Schwerbehindertenausweis weniger oft zu einem Vorstellungsgespräch geführt haben als ohne den Hinweis. 

Wirst du zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und im Verlauf des Gesprächs merkst du, dass du ein deutchliches Interesse am Unternehmen hast, so ist nun der richtige Zeitpunkt zu erwähnen, dass du einen Ausweis hast. Wenn man dies im Gespräch mitteilt, bietet sich die Chance, dem Arbeitgeber direkt zu erklären, was es mit der Erkrankung „Hämophilie" auf sich hat. Des Weiteren kann es sehr hilfreich sein, wenn du mit deinem behandelnden Arzt bereits vorher Rücksprache bezüglich eines geeigneten Berufs gehalten hast und du somit eine ärztliche Bescheinigung vorlegen kannst aus der hervorgeht, dass du den Beruf aus medizinischer Sicht bedenkenlos ausüben kannst.

Zahlreiche Rückmeldungen bestätigen diese Vorgehensweise. Viele Arbeitgeber sind zusehenst beeindruckt, wenn die Bewerber zu ihrer Erkrankung stehen und den Schwerbehindertenausweis erwähnen. Auch für den Arbeitgeber ergeben sich bei der Einstellung von Bewerbern mit einem Schwerbehindertenausweis Vorteile. So erhält er z. B. einen Eingliederungszuschuss von der Agentur für Arbeit.

Was soll man aber tun, wenn es auf dem Arbeitsmarkt einfach nicht klappen möchte und unzählige Bewerbungen erfolglos bleiben? Hier bietet es sich an, einen Termin bei der Agentur für Arbeit zu machen und sich so über neue Möglichkeiten beraten zu lassen. Durch deinen Schwerbehindertenausweis steht dir dort eine Beratungskraft zur Verfügung, die sich speziell mit dem Thema der beruflichen Rehabilitation beschäftigt. Je nach Bundesland gibt es hierfür unterschiedliche Regelungen. Manche Bundesländer bieten spezielle Programme an. Bei dem Programm Job 4000 beispielsweise, wird den chronisch erkrankten Menschen in Kooperation mit dem jeweiligen Intergrationsfachdienst Unterstützung bei der Berufswahl und möglichen Ausbildungsplätzen geboten. Die Aufgaben der Integrationsfachdienste sind in § 110 Abs. 2 SGB IX geregelt. Sie reichen von der Erhebung von beruflichen Fähigkeiten über die Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz, der Begleitung am Arbeitsplatz bis zur Beratung der Arbeitgeber, z. B. über finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten, wenn ein schwerbehinderter Mensch eingestellt wird. Die örtliche Agentur für Arbeit gibt Auskunft über die jeweiligen Schwerpunkte der einzelnen Integrationsfachdienste, da das Gesetz bundeslandspezifisch umgesetzt wird. 

Je nach Bedarf besteht die Möglichkeit ein psychologischen Test durchzuführen und ein amtsärztliches Gutachten zu erstellen, um sich seiner Fähigkeiten bewusst zu werden und somit den passenden Berufswunsch festzulegen. Des weiteren wird so auch der Unterstützungsbedarf ermittelt. 

Findest du trotz vieler Bemühungen keunen Ausbildungsplatz, so kann es sinnvoll sein, in einem Berufsbildungswerk eine Ausbildung zu machen. Adressen der Berufsbildungwerke in ganz Deutschland findest du unter den Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: www.bmas.de

Je nach Berufsbildungswerk gibt es ein großes Angebot an Berufsausbildungen. Zudem ist es oftmals möglich, Schulabschlüsse nachzuholen und dadurch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern. In vielen Berufsbildungswerken besteht die Möglichkeit in einem angegliederten Internat zu wohnen, was die Loslösung von Zuhause und die Förderung der Selbständigkeit erhöht. Ob eine Finanzierung einer Ausbildung in einem Berufsbildungswerk möglich ist, sollte hierbei mit der Agentur für Arbeit abgestimmt werden. In jedem Fall sollte man einen Termin bei einer Beratungskraft in der Agentur für Arbeit vereinbaren.

 

Petra Bintz, Diplom-Sozialpädagogin